Naturdenkmal und Gerichtsstätte Femeiche

Die Femeiche ist die überregional bekannteste Sehenswürdigkeit von Erle. Bei dem Baum handelt es sich um eine Stieleiche (quercus robur). Ihr Alter kann mittels historischer Angaben zu Umfang, Durchmesser und Hohlraum grob auf ca. 800 bis 1100 Jahre geschätzt werden. Sie ist damit einer der ältesten Bäume Deutschlands. Am 30. 10. 2021 wurde die Femeiche von der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft zum „Nationalerbe-Baum“ ausgerufen.

Bürgermeister Martin Tesing von Raesfeld und Professor Andreas Roloff von der TU Dresden enthüllen die Tafel, die die Femeiche zum Nationalerbe-Baum erklärt.

Alte heidnische Bezeichnungen wie „Ravenseiche“ für den Baum oder „Assenkamp“ für die Umgebung könnten Hinweise darauf sein, dass der Baum oder ein Vorgängerbaum schon vor der Christianisierung im 9. Jahrhundert die Tradition einer germanischen Kultstätte hatte. Denn „Ravenseiche“ deutet darauf hin, dass der Baum dem höchsten germanischen Gott Wotan (Odin) mit seinen Raben geweiht war. Die Bezeichnung „Assenkamp“ weist auf das germanische Göttergeschlecht der Asen hin. Viele  Fachleute halten heute ein  Alter des Baumes von wesentlich mehr als 1000 Jahre für unwahrscheinlich.

Die Eiche wird mit 10 Eichenständern abgestützt und die Mantelfragmente werden durch Stahlrohre zusammengehalten.

Unter der Eiche tagte im Mittelalter das geheime Femegericht (Feme = Gericht, Strafe). In Urkunden wurde es „den vryen stoel tum Assenkampe“ genannt. Femegerichte waren in dieser Zeit besonders in Westfalen verbreitet. Sie urteilten über Schwerverbrechen wie Mord, Raub, Brandstiftung und Meineid, welche bei Schuldspruch die Todesstrafe durch den Strang nach sich zogen. Die Femegerichte richteten unter Königsbann (dem Recht des Königs). Die Erzbischöfe von Köln hatten seit 1422 als Reichsstatthalter die Aufsichtsbefugnis über die Feme. Inhaber der einzelnen Gerichtsbezirke, d. h. einer oder mehrerer Freigrafschaften, waren die Stuhlherren. Diese waren oft Landesherren, die die Freigrafschaft ganz oder in Teilen an Lehnsträger weitergeben konnten. Zu einer Freigrafschaft gehörten mehrere Freistühle, an denen ein Femegericht zusammentrat. Der Vorsitzende, der Freigraf, wurde auf Vorschlag des Stuhlherrn vom König bzw. Erzbischof ernannt und nach Leisten eines Eides mit dem Gerichtsbann belehnt. Die den Freigrafen umgebenden Richter waren die Freischöffen, die aus Erle und umliegenden Dörfern kamen und deren Zahl nicht festgelegt war. Die Gerichtsverhandlungen des Femegerichts waren nicht öffentlich. (Siehe die steinerne Nachbildung eines Femegerichtes und die Geschichtstafel über die Femegerichtsbarkeit an der Femeiche)
Der Erler Freistuhl unterstand ursprünglich dem Stuhlherrn von Heiden, der 1335 den südlichen Teil seiner Freigrafschaft mit Erle an den Grafen von Cleve verpfändete. 1375 war der Raesfelder Burgherr Inhaber dieser Freigrafschaft. Der Freigraf Bernt de Duiker verfemte hier im Jahre 1441 Gert van Diepenbrock und zwei seiner Knechte wegen zweifachen Schöffenmordes und erklärte sie in Abwesenheit als vogelfrei.
Aus der Spätphase des Freigerichts sind auch notarielle Verfahren bekannt, z. B. Eigentumsübertragungen und Erbverzichtserklärungen. Das letzte Dokument des Erler Femegerichts stammt von 1572. Mit Beginn der Neuzeit übernahmen  an Universitäten ausgebildete professionelle Richter als landesherrliche Amtsleute nach und nach die Rechtssprechung. Den Laienrichtern der Femegerichtsbarkeit verblieben nur noch die Ahndung geringfügiger Vergehen und die Regelung von Streitigkeiten.

Erhaltungsmaßnahmen

  Von dem einst mächtigen Baum sind heute nur noch „Bruchstücke“ vorhanden. Um 1750 war die Eiche noch relativ vollholzig.  Doch nach und nach drang Wasser in den Stamm ein, zersetzten Pilze das Kernholz und es entstand  allmählich eine Höhlung. Bei Stürmen brachen  Teile der Krone ab. Der Baum hat deshalb seit ca. 250 Jahren seine Krone „zurückgezogen“, d. h. seine Höhe zurückgebaut, so dass sich die Transportwege für das Wasser von den Wurzeln zur Krone und für den Zucker von den Blättern zu den Wurzeln verkürzten.Etwa um 1800 entfernte man das morsche Holz aus dem Stamm, so dass ein großer Hohlraum entstand, durch den das Innere des  Baumes betreten werden konnte.   
Das Ausmaß des Hohlraums  wird durch folgende geschichtlich belegte Begebenheiten deutlich: Während eines Manövers im Jahre 1819 ließ der Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm  IV. von Preußen 36 Infanteristen in marschmäßiger Ausrüstung in der Eiche Aufstellung nehmen. 1851 speiste der Bischof von Münster mit elf seiner Geistlichen an einem runden Tisch im Innern der Eiche.

Durch Schrägwuchs ist der Baum stark nach Südwesten geneigt. Um ein Umstürzen zu vermeiden,  wurde er 1883 zum ersten Mal abgestützt. Heute halten ihn 10 Stützen aufrecht. Später brachte man zwei Eisenringe an, um die Stammteile zusammenzuhalten. Der letzte Ring wurde 1965 entfernt, weil er die Saftbahnen abschnürte. Seitdem halten mehrere Stahlrohre die Mantelfragmente zusammen. Durch einen Baumpfleger wurde die Wurzeln untersucht und der Pilzbefall bekämpft. Es erfolgen seither regelmäßige Düngungen und Belüftungen des Wurzelwerkes. Im April 1994 wurde zum Schutz des Baumes eine Einzäunung errichtet.

Gerichtsskulptur

Um die Femeiche als historischen Ort westfälischer Rechtsprechung in Erinnerung zu halten, hat der Heimatverein Erle im Jahre 2006 mit Findlingen das „Femegericht“ nachgestellt.Auf dem Richtertisch liegen als Insignien des Freigrafen ein Schwert  und ein Strick aus Bronze. Davor sind Steine aufgestellt, in die die Namen urkundlich bekannter Erler Freischöffen eingraviert sind. Heute führt der Heimatverein Erle an dieser Stelle zu besonderen Anlässen  die Femegerichtsverhandlung  von 1441 als szenische Darstellung auf.

Die Femeiche mit Gerichtsskulptur

Femeichenausstellung

Eine umfassende Ausstellung  über die Femeiche ist im Heimathaus in Erle, Silvesterstraße 5, zu sehen. Die Themen der 21 Ausstellungstafeln umfassen u. a. folgende Bereiche: das Alter des Baumes, die Entwicklung der Femegerichtsbarkeit, der Freistuhl an der Erler Femeiche, der Femeprozess von 1441, die Nachwirkungen der Feme in Literatur, Kunst und Politik, berühmte Besucher an der Femeiche, die Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen, Funk- und Fernsehen an der Eiche, Gedichte über die Eiche. Die Ausstellung ist jeden ersten Sonntag im Monat von 15.00 – 17.00 Uhr geöffnet. Es finden Führungen statt. Von April bis September beginnen sie Führungen an der Femeiche. Durch den Ortskern geht es dann ins nahegelegene Heimathaus zur Ausstellung.

Die Femeichenausstellung: 21 Schautafeln erzählen aus der Geschichte der 1000-jährigen Femeiche. Zu sehen sind zudem ein mächtiges Mantelfragment und Baumscheiben der Eiche, ca. 200 Jahre alt
In einer Tischvitrine sind Urkunden über Kaufverträge aus dem 14. – 16. Jahrhundert zusehen, die an der Femeiche abgeschlossen wurden.

Der Ursprung Erles

Funde aus der Jungsteinzeit und die Hügelgräber aus der älteren Bronzezeit in Erle zeugen davon, dass schon seit Tausenden von Jahren auf Erler Gebiet Menschen siedelten. Es wurden in der Bauernschaft Östrich in der Moorheide am Schafsbach (Hörnefort) und auf dem Wall (Werlo/Uhlengatt) Pfeilspitzen, Klingen und Schneidegeräte gefunden, die auf die Existenz von Siedlern der Jungsteinzeit hinweisen.

Mehrere Hügelgräber aus dem Zeitraum 2000 – 1500 v. Chr. fanden sich in der Nähe dieser Siedlung. Reste eines Hügelgrabes sind noch heute an der Straße Werlo in der Bauernschaft Östrich zu sehen. Auch der hier gefundene mit Rillen und Buckeln verzierte Riesenbecher (Nachbildung im Museum im Heimathaus, Original im LWL Museum für Archäologie in Herne) gehört in diese Zeit.

Im Frühmittelalter lebten hier Franken, wie die Funde eines Gräberfeldes in der Westrich, das in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts freigelegt wurde (siehe Geschichtstafel am Hagen), beweisen. Im 7. Jahrhundert eroberten Sachsen diese Gegend. Sie siedelten sich in kleinen Streusiedlungen an. Das eigentliche Dorf entstand später um die Kirche herum. Die erste gesicherte Erwähnung Erles als „Erlore“ findet sich im Urbar (Heberegister) des Klosters Werden aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Das Kloster verfügte demnach in Erle über Grundbesitz. Einikin in Erlore gab 7 Scheffel Roggen an den Fronhof des Klosters in Rüste (heute Schermbeck). Spekulation hingegen ist es, das im Werdener Urbar aus dem Ende des 9. Jahrhunderts genannte „Helinum“ mit Erle in Verbindung zu bringen. Ungesichert ist auch die Erwähnung Erles in einer Schenkungsurkunde des Kaisers Heinrich II. an die bischöfliche Kirche von Paderborn aus dem Jahre 1017. Das dort erwähnte „Horlon“ deuten einige Heimatforscher als das heutige Erle. Dass Erle viel älter ist als die erste gesicherte schriftliche Erwähnung, darauf weist der Name hin. Erlore kann von der Grundform „–lar“ abgeleitet werden. Die „–lar“ Namen gehören zur ältesten Schicht der Ortsnamen im Münsterland. Möglich ist auch die Ableitung von dem Grundwort „– loh“, was als Gehölz oder Waldlichtung durch Rodung gedeutet wird.

Der Ursprung Erles

Die Herren van Erler und der Schultenhof

Die Namen „van Erlar“, „van Erlere“, „de Erlo“ „de Erler“ und „van Erler“ für eine Adelsfamilie tauchen in verschiedenen Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts im Münsterland als Zeugenunterschrift auf. Es ist anzunehmen, dass diese Namen auf Erle hinweisen und ein Zweig dieser Adelsfamilie „van Erler“ hier im Besitz eines Adelshofes war. Die Familie wird 1201 erstmals urkundlich erwähnt. Zwei Wappenforscher hatten in ihren Veröffentlichungen in den 1920er Jahren behauptet, dass eine Adelsfamilie „von Ichorne“, die Besitz in dem mittelalterlichen „Erlo“ bei Altenberge hatte, identisch mit dem Erler Zweig der Familie sei. Die „von Ichorne“ sollen in einem ihrer Wappen drei Eichhörnchen gehabt haben. Diese Interpretation stellt sich heute als Irrtum heraus. Doch die Regierungsbehörde in Münster deklarierte 1934 dieses Eichhörnchenwappen der „von Ichorne“ gegen den Willen der Erler, die die Femeiche vorgeschlagen hatten, zum neu geschaffenen Erler Wappen. Die Erler stimmten letztlich zu. Doch spricht einiges dafür, dass das Andreaskreuz, das Wappen eines „Gherd van Erler“ auf einer Urkunde aus dem Jahre 1370, das richtige Wappen der Erler „van Erler“ gewesen ist.

Nach dem Verkauf des Adelshofes durch die Herren „van Erler“ wurde er von einem Schulten für einen auswärtigen Grundherrn verwaltet. 1372 wurde dieser als „Schulte to Erler“ erwähnt. Er verwaltete den Hof für das Haus Döring bei Borken. Der Hof lag vermutlich in einem Eichenwäldchen im Westen des heutigen Dorfes nördlich des jetzigen Pastorat. Ein Schultenhof war Haupthof eines abgabenpflichtigen Höfeverbandes. Zu dem Erler Höfeverband gehörten die Höfe Bente, Oendorp, Budde, der Stroerhof in der Östrich, Telman im Dorf sowie Stegerhof in der Westrich. Der Eigentümer des Schultenhofes war Kirchenpatron und Erbholzrichter in der Erler Mark (gemeinsam genutztes Wald- und Weideland).

Der Schultenhof wechselte vom 14. bis 17. Jahrhundert durch Verkauf, Verpfändung, Vererbung oder Heirat häufig den Besitzer. 1645 erwarb ihn der Freiherr von Westerholt, Herr zu Lembeck. Ab dem 16. Jahrhundert löste sich der Hofverband allmählich auf, der Schultenhof verschwand. Das Land wurde stückweise an Bauern verpachtet. Ab 1805 wurde der Grundbesitz in Teilen verkauft.

Außer den Eigentümern des Schultenhofes hatten auch andere adlige und geistliche Herren Grundbesitz in Erle, so die Häuser Raesfeld, Gemen und Wilich, der Herzog von Kleve und das Viktorstift in Xanten. Die hörigen Erler Bauern waren ihren Grundherren zins- und abgabepflichtig und mussten zum Teil auch Hand- und Spanndienste leisten.

Die Herren van Erler und der Schultenhof

Silvesterkirche und Pfarrhof

Der Eigentümer des Erler Adelshofes ließ vermutlich im 13. Jahrhundert mit der Abpfarrung Erles von Raesfeld auf seinem Grund eine steinerne Pfarrkirche in Erle errichten, die das Patrozinium des Papstes Silvester erhielt. Es ist jedoch durchaus auch möglich, dass, wie an vielen anderen Orten, so auch in Erle zuvor eine vermutlich hölzerne Eigenkirche gestanden hat. Private Eigenkirchen wurden seit dem Frühmittelalter, als es noch keine fest abgegrenzten Pfarreisprengel gab, von Vertretern der adligen Oberschicht auf Eigengrund erbaut, mit Landbesitz ausgestattet und mit einem Geistlichen besetzt. Im 12. Jahrhundert wurden die Eigenkirchen mit dem Ausbau der Kirchenorganisation in Patronatskirchen umgewandelt. Erst 1313 wird die Pfarrei „Herlere“ (Erle) urkundlich erwähnt. Der Eigentümer des Erler Schultenhofes war auch Patronatsherr der Erler Kirche. Er hatte das Vorschlagsrecht bei der Einsetzung des Pfarrers und übergab ihm den Pfarrhof, das kirchliche Amt verlieh der Bischof. Das Patronat der Erler Kirche besaßen nach mehreren Wechseln ab 1645 bis ins 20. Jahrhundert die Grafen von Merveldt zu Lembeck.

Zur Zeit der Reformation hatte Erle ab 1533 protestantische bzw. calvinistische Pfarrer. Erst Pfarrer Michael Spanier führte ab 1622 die Erler zum Katholizismus zurück.

Die heutige Pfarrkirche wurde in den Jahren 1875 – 1879 zur Zeit des Pfarrers Nonhoff im neugotischen Stil erbaut. Die mittelalterliche Vorkirche war zu baufällig und für die wachsende Kirchengemeinde zu klein geworden. Ein Luftangriff auf Erle zerstörte die Kirche am 23. März 1945 erheblich. In einer rasch errichteten hölzernen Notkirche auf der Wehme fanden in der Nachkriegszeit die Gottesdienste statt. Der Wiederaufbau begann 1948 in vereinfachter Form. Statt des früheren spitzen Helms bekam der Turm ein flaches Pyramidendach, statt der Gewölbe der Innenraum eine flache Decke. Am 15. Oktober 1950 wurde die wiedererstandene Kirche konsekriert.

Der zunächst recht schlichte Innenraum der Kirche bekam erst nach mehreren Renovierungen sein heutiges Gesicht. Die letzte Wiederaufbauleistung war 1999 die Erneuerung des alten spitzen Kirchturmhelms.

Im Zuge der Bildung von Großgemeinden verlor die St. Silvesterpfarrgemeinde 2013 ihre Selbstständigkeit und fusionierte mit St. Martin Raesfeld und mit St. Marien Rhedebrügge zur neuen Pfarrei St. Martin Erle Raesfeld Rhedebrügge.

An der Femeiche gab es seit dem Mittelalter einen Pfarrhof, den sogenannten Wedemhof. Dieser Pfarrhof, sowohl Wohnhaus des Pfarrers als auch Bauernhof, war mit einer Gräfte umgeben. Südlich davon erstreckten sich die hofeigenen Weiden mit Nebengebäuden, die Wehme. Zum Wedemhof gehörten im 18. Jahrhundert 65 Morgen Ackerland und Wiese, die z. T. von Pfarrhof direkt bewirtschaftet wurden, z. T. verpachtet waren.

Der letzte Pfarrhof dieser Art wurde 1790 gebaut und ist im Wesentlichen bis heute in seiner Bausubstanz erhalten. Nach Aufgabe der Landwirtschaft wurden die bäuerlich genutzen Räumlichkeiten zu pfarrlichen Zwecken umgebaut. Nach dem Umzug des Pastors in ein neues Pastorat 1978 wurde das Erdgeschoss als Pfarrheim genutzt und das Obergeschoss vermietet. Nach dem Bau eines neuen Pfarrheims 2015 wurde es an eine Familie verkauft, die es als Wohnhaus nutzt. (siehe Geschichtstafel am alten Pastorat)

Silvesterkirche und Pfarrhof


Erle in der Herrlichkeit Lembeck

Im Zuge der Ausbildung des Hochstiftes Münster als weltliches Herrschaftsgebiet erwarb 1350 der Fürstbischof von Münster die Grafschaftsrechte der sächsischen Grafschaft „Bram-Gau“, auch Hamaland genannt. Den Herren von Lembeck gelang es im 15. Jahrhundert durch Erwerb der Gogerichtsbarkeit einen eigenen Gerichtsbezirk im Amt Ahaus aufzubauen, in das das Amt auf dem Bram aufgegangen war. So entstand die Herrlichkeit Lembeck, die durch die Richter des Lembecker Grafen verwaltet wurde. Zu ihr gehörten die Kirchspiele Erle, Holsterhausen, Rhade, Wulfen, Lembeck, Hervest und Altschermbeck. Die Herrlichkeit Lembeck bzw. das Fürstbistum Münster grenzte im Westen an das Herzogtum Kleve bzw. das Kurfürstentum Brandenburg (ab 1701 Königreich Preußen), zu dem das Herzogtum ab 1614 gehörte, und im Süden jenseits der Lippe an das Vest Recklinghausen, das Bestandteil des Fürstbistums Köln war.

Als ab 1803 im Zuge der Säkularisierung (Abschaffung aller weltlichen Herrschaftsgebiete der Kirche) auch das Fürstbistum Münster aufgelöst wurde, fand auch die Herrlichkeit Lembeck als Gerichtsbezirk ihr Ende. Vorübergehend gehörte das Gebiet der Herrlichkeit in der Zeit der napoleonischen Herrschaft über Europa zum neu gebildeten Fürstentum Salm-Salm und zu Frankreich. Erle wurde in dieser Zeit der Mairie (Bürgermeisterei) Altschermbeck zugeordnet. Nach der Befreiung von napoleonischer Herrschaft kam Westfalen zum Königreich Preußen. Die ehemalige Herrlichkeit Lembeck wurde in den 1816 neu geschaffenen Kreis Recklinghausen eingegliedert.

Erle in der Herrlichkeit Lembeck

Die politische Gemeinde Erle

Mit Einführung der Landgemeindeordnung von 1841 wurden die bis dahin bestehenden Bürgermeistereien Altschermbeck und Wulfen zu Ämtern erklärt. Die einzelnen Gemeinden wurden politisch selbstständig und erhielten Bürgermeister und Gemeindevertreter. Im Jahre 1929 wurden die beiden Ämter zum Amt Hervest-Dorsten zusammengeschlossen.

1920 wurden in Erle bei Kämpfen zwischen Freikorpssoldaten und „Spartakisten“ (Angehörige der Roten Arbeiterarmee im Ruhrgebiet) an der Rhader Straße 5 „Spartakisten“ erschossen und nahe der B 224 begraben. (siehe Geschichtstafel an der Rhader Straße) Bei einem Bombenangriff wurden am 23. März 1945 die Kirche und der Ortskern schwer beschädigt. Zwei Menschen kamen zu Tode.

Im Rahmen der kommunalen Neugliederung in NRW vom 9. Juli 1974 wurden die Gemeinden Erle, Raesfeld, Homer und das nördliche Overbeck zur neuen Gemeinde Raesfeld zusammengeschlossen. Erle kam damit zum Kreis Borken und verlor seine Selbstständigkeit als politische Gemeinde. Von 1965 – 1983 war Erle Standort einer Militäranlage der NATO, bestehend aus einer Raketenabschussstation, einer Radarstation und einer Kaserne. Zeitweilig lagerten hier bis zu 27 Nike-Luftabwehrraketen und sogar 18 Atomsprengköpfe. (siehe Geschichtsstation an der Rhader Straße gegenüber dem Hundeplatz, der ehemaligen Radarstation) Niederländische, amerikanische und belgische Soldaten taten in Erle ihren Dienst. Als sie mit den Raketen abgezogen waren, diente die Kaserne im Erler Süden in den 1990er Jahren friedlichen Zwecken, der Zwischenaufnahme von deutschstämmigen Aussiedlern aus der Sowjetunion und Polen, später auch von Asylbewerbern. Heute entstehen hier nach Abriss der Kaserne Einfamilienhäuser.

Erle heute

Erle besteht neben dem Dorf aus drei Bauernschaften: im Westen die Westrich und Nordoverbeck, im Osten die Östrich. Das Dorf erlebte nach dem Krieg ein rasantes Bevölkerungswachstum. Das nahe Ruhrgebiet mit seinen Arbeitsplatzmöglichkeiten, die gute Verkehrsanbindung sowie die hohe Wohnqualität veranlassten viele Menschen in das dörfliche Erle zu ziehen bzw. in Erle zu bleiben. So entstand eine Reihe von Neubaugebieten mit schmucken Einfamilienhäusern und im Süden ein Industriegebiet. Die Zugehörigkeit zu Nachbarschaften und die Mitgliedschaft vieler Alt- und Neubürger in Vereinen prägen den sozialen Zusammenhalt und leisten ihren Beitrag zur Wohnqualität. Hatte Erle im Jahre 1950 nur 1211 Einwohner, so ist deren Zahl bis Ende des Jahres 2017 auf 3595 gestiegen. Trotz der Veränderung der Bevölkerungsstruktur hat Erle seinen dörflichen Charakter bewahrt. Deshalb und wegen seiner touristischen Attraktionen ist Erle besonders am Wochenende Ziel vieler Tagesbesucher. Hauptattraktion ist natürlich die Femeiche. Auch ziehen der Bauernmarkt auf dem Hof Stegerhoff, der Adventsmarkt auf Preens Hoff, der alle 4 Jahre stattfindende Erntedankumzug, die Kornbrennerei sowie Direktvermarktung und touristische Angebote auf einzelnen Bauernhöfen Besucher an. Der Heimatverein hat von 2004 – 2016 an geschichtsträchtigen Stellen bzw. Denkmälern in Erle Informationstafeln aufgestellt und 2006 im Heimathaus ein Heimatmuseum eröffnet. Nicht zuletzt durch die vielfältigen Möglichkeiten, rund um Erle zu Fuß oder mit dem Rad Natur zu erleben, ist Erle das Ziel von Besuchern aus Nah und Fern.