Am 23. und 24. März 1945 wurde Erle bombardiert und der Ortskern erheblich zerstört. Ursprünglich wollte der Heimatverein Erle am Sonntag, 22. März, in zwei Gedenkveranstaltungen im Heimathaus und am Ehrenmal an die Bombardierung erinnern. Doch wegen des Verbots öffentlicher Veranstaltungen entfallen beide Termine. Daher möchte der Heimatverein auf einer Gedenktafel am Ehrenmal und auf seiner Homepage an dieses Ereignis erinnern.  

Die Zeitzeugin Elisabeth Kuhlmann, geb. Pieper, gibt in ihrem Bericht in dem Buch „Erle 1945“ den Zeitpunkt wieder, als am 23. März 1945 kurz vor 11 Uhr Flugzeuge Spreng- und Brandbomben über Erle abwarfen.

 „An diesem Morgen war kein Luftalarm gegeben worden. Meine Schwester Luzie und ich hoben mit Hilfe von Franz und Lambert Langenhorst auf unserem Hof zwei Ein-Mann-Löcher aus. Es muss gegen elf Uhr gewesen sein – unsere Ein-Mann-Löcher waren gerade zur Hälfte fertig – als wir die Flugzeuge hörten. Gesehen haben wir die erst, als sie über dem Hof Kuhlmann-Telm waren. Lambert Langenhorst rief: „Die klinken aus!“Mit dem gleichen Atemzug sprang er über den Hofzaun und suchte in einem Ein-Mann-Loch auf dem Nachbargrundstück Deckung. Franz und ich sprangen in das eine halbfertige Ein-Mann-Loch, meine Schwester in das andere.

Die Häuser Langenhorst und Pieper, vom zerstörten Kirchturm aus unten links zu sehen

Luzie, die bei ihrem Sprung in das Loch von einem umherfliegenden Steinbrocken in den Rücken getroffen wurde, hat mir später erzählt, dass sie ein Geschwader von 6 Flugzeugen gezählt habe. Ich selbst hörte einen lauten Knall, dem mehrere Erschütterungen folgten. Ringsherum wurde es dunkel. Um uns herum flogen Steine, Holz- und Glassplitter. Der von der aufgewühlten Erde verursachte Staub war so dicht, dass man die Umgebung kaum noch erkennen konnte. Wir hörten unsere Mutter unsere Namen rufen. Sie kam aus dem Haus gestürmt. Keiner wusste, was passiert war. Zusammen liefen wir dann in Richtung Kuhlmann-Telm, um uns in den dort angelegten Schutzgräben in Sicherheit zu bringen. Von dort aus sahen wir, wie Rauch aus dem Turm unserer Kirche drang. Erst jetzt wurde uns klar, dass die Flugzeuge unsere Kirche getroffen hatten.

Die zerstörte St.-Silvester-Kirche beim Wiederaufbau 1949

Wir liefen, als die Flugzeuge weg waren, ins Dorf. Aus der Kirche schlugen lichterloh die Flammen. In unserem Haus waren durch die Explosionen die meisten Fensterscheiben zerstört. Die Türen und Rollladen hingen schief in den Angeln.“

Viele Häuser im Ortskern wurden getroffen und erheblich zerstört oder brannten aus, ebenso der Kirchturm, der im Laufe des Tages umkippte. In den folgenden Tagen kam es zu erneuten Bombenabwürfen und Tieffliegerangriffen auch in den Bauernschaften. Der Krieg, den Nazideutschland 1939 mit den Überfall auf Polen gegen die Staaten Europas begonnen hatte, brach über Erle herein und brachte auch hier Tod und Zerstörung.

Schulkinder spielen im Bombentrichter

Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat das in seiner viel beachteten Rede vom 8. Mai 1985 – 40 Jahre nach Kriegsende – so formuliert:

„ Während des Krieges hat das NS-Regime viele Völker gequält und geschändet. Am Ende blieb nur noch ein Volk übrig, um gequält und geschändet zu werden: das eigene, das deutsche Volk. … Die anderen Völker wurden zunächst Opfer eines von Deutschland ausgehenden Krieges, bevor wir selbst zu Opfern unseres eigenen Krieges wurden.“

Hauptlehrer und Heimatforscher Fritz Sagemüller: Er und zwei russische Kriegsgefangene wurden getötet, während sie am damaligen Lehrerhaus in der heutigen Silvesterstraße neben der heutigen Grundschule letzte Sicherungsmaßnahmen wegen der erwarteten Bombenangriffe vornahmen. Seine Familie überlebte währenddessen in den Schutzräumen im Keller des Hauses.

Zu den Opfern der Bombenangriffe auf Erle zählten Hauptlehrer Fritz Sagemüller, Regina Henneböhl und Johanna Langenhorst sowie zwei russische Kriegsgefangene. Insgesamt sind in Erle bei den Bombardierungen und Tieffliegerangriffen sowie bei den Gefechten beim Einmarsch der Alliierten am 28. März 35 Soldaten gefallen: 26 deutsche, 6 englische, 2 russische und ein Amerikaner. Einige davon sind auf dem Erler Friedhof beerdigt. Doch nicht alle der in den 18 Soldatengräbern beerdigten Toten sind in Erle gefallen.

Das Haus Henneböhl wurde getroffen und Regina Henneböhl getötet

WIR GEDENKEN DER OPFER

Wir Erlerinnen und Erler gedenken der in Erle 1945 zu Tode gekommenen Menschen und darüber hinaus auch der Millionen im Zweiten Weltkrieg gefallenen und in Kriegsgefangenschaft ums Leben gekommenen Soldaten:

  • aus Erle
  • aus Deutschland
  • aus allen anderen Ländern, die vom Krieg betroffen waren.

 Wir gedenken auch aller anderen Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft:

  • der Millionen Zivilisten, die bei Bombardierungen und Kriegshandlungen sowie durch  systematische Ermordung und Verhungern zu Tode kamen.
  • der 6 Millionen Juden, die in Konzentrationslagern ermordet wurden.
  • der Sinti und Roma, der Homosexuellen und der Geisteskranken, die aufgrund einer unmenschlichen Ideologie umgebracht wurden.
  • der Menschen, die wegen ihrer politischen und religiösen Überzeugung Widerstand leisteten und deswegen sterben mussten.

WIR LERNEN AUS DER GESCHICHTE

Die NS-Ideologie hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaft und Hass zu schüren. Wir lernen aus der eigenen Geschichte, wozu der Mensch fähig ist. Deshalb dürfen wir uns nicht einbilden, die Menschheit sei anders und besser geworden. Auch heute leiden viele Menschen auf der Welt unter Kriegen und sind Vorurteilen, Gewalt und Terror ausgesetzt. Viele kommen als Flüchtlinge und Hilfesuchende zu uns. Vorurteile und Hass gegen diese Menschen und Andersdenkende sind in den Medien, besonders in den sogenannten sozialen zu finden. Die Morde von Hanau zeigen uns, dass Hass in offene Gewalt umschlagen kann.

WOFÜR WIR EINSTEHEN

Wir setzen symbolisch ein Zeichen, indem wir uns plakativ gegen Vorurteile, Hass, Gewalt und Kriege in der heutigen Zeit wenden. Wir  entzünden Lichter für die Werthaltungen, für die wir als Menschen und Christen in unserer Gesellschaft und in Erle einstehen.

Gedenkstätte des Heimatvereins am Ehrenmal in Erle
Die Worte des Gedenkens, die auf dieser Seite stehen, sind auch am Ehremmal zu lesen.

Unsere Geschichte lehrt uns, dass Hasspropaganda und verbale Herabwürdigung der Nährboden für Entmenschlichung ganzer Bevölkerungsgruppen, z. B. in Begriffen wie „Untermenschen“ oder „lebensunwertes Leben“ waren.

Wir sprechen uns aus gegen abfällige Reden, Hasskommentare und anonyme Beschimpfungen im privaten und vor allem im öffentlichen Diskurs.

Wir stehen ein für R E S P E K T und zivilisierte Umgangsformen im Miteinander.

Unsere Geschichte lehrt uns, dass die staatliche und soziale Diskriminierung der jüdischen Minderheit und der Sinti und Roma letztendlich im Holocaust endeten.

Wir sprechen uns aus gegen pauschale Vorurteile und Diskriminierung von Minderheiten aufgrund ihres Aussehens, ihrer andersartigen Kultur und Religion.

Wir stehen ein für T O L E R A N Z gegenüber Minderheiten wie Flüchtlingen und Zuwanderern und für einen Umgang, der von Achtung vor der Würde des Mitmenschen geprägt ist.

Unsere Geschichte lehrt uns, wie der Überwachungsstaat der nationalsozialistischen Diktatur die Freiheit der Menschen beschnitt.

Wir sprechen uns aus gegen jegliche Diktatur und Autokratie, ganz gleich, ob sie auf nationalistischen, kommunistischen oder islamistischen Weltanschauungen basiert.

Wir stehen ein für D E M O K R A T I E, Machtkontrolle und Rechtsstaat, der die Meinungsvielfalt zulässt und die Freiheit der Menschen schützt.

Unsere Geschichte lehrt uns, dass zwei Weltkriege unermessliches Leid über Europa gebracht haben.

Wir sprechen uns aus gegen gewaltsame Lösung von Konflikten in Form von Kriegen und Gewalt gegen Leib und Leben.

Wir stehen ein für eine gewaltfreie Austragung von Konflikten und für F R I E D E N zwischen Völkern, Nationen und Religionen. Wir sind dankbar für 75 Jahre Frieden in Deutschland und in der europäischen Union.

Jahreshauptversammlung des Heimatvereins Erle

Gut besucht war die Jahreshauptversammlung auch dank des Erscheinens junger Leute und Familien

Ein Blick in die Runde zeigte den Wandel: Nicht nur das klassische Klientel der älteren Mitbürger, sondern auch junge Familien mit Kindern und junge Erwachsene konnte der Vereinsvorsitzende Norbert Sabellek unter den 70 Teilnehmern des Jahreshauptversammlung begrüßen. Dem Verein ist es gelungen, durch seine Schwerpunktsetzungen auch junge Leute für die Heimatarbeit zu begeistern.    

Zusammenarbeit zwischen Schule und Heimatverein

Seit Jahren schon bringen die 4 Mentorinnen den „Brejpollspöllern“, den Grund- und Sekundarschülern  der Plattdeutsch-AG, durch Spielen, Singen, Sprechen und Lesen die Erler Mundart spielerisch bei, weiß Doris Grunewald zu berichten. Der Andrang zu der AG sei groß; denn den jungen Schauspielern mache es einen Riesenspaß, in Altenheimen, an Seniorennachmittagen, beim Maikranzaufhängen, auf dem Sommerfest und am Plattdeutschen Nachmittag Sketche, Reigen, Märchen und selbstgeschriebene Stücke in Erler Platt aufzuführen. Die „grooten Brejpottspöllers“ schreiben zurzeit an einem Plattdeutsch-Krimi: Tatort Erle. Durch das Hobby ihrer Kinder kommen auch deren Eltern zum Heimatverein.

Die Brejpottspöllers und ihre Mentoren

Gleiches gelte auch für die Garten-AG am Heimathaus, in dem die Kinder erfahren, wie gesät, gepflegt und geerntet wird, berichtet Ingrid Horstmann. Als die Lokalzeit des WDR in Erle an der Femeiche drehte, präsentierten die Kinder in dem Filmbeitrag, wie sie Eicheln unter der Femeiche sammeln und diese im Heimathausgarten zu Eichensetzlingen heranziehen, die dann mit Zertifikat verkauft werden. Zudem baut die Natur- und Vogelschutzgruppe des Vereins regelmäßig mit den Kindern der OGS Nistkästen. Für die Zusammenarbeit zwischen Schule und Heimatverein wurde der Verein vom Landrat Dr. Zwicker bei der Verleihung des Heimatpreises des Kreises Borken mit einer Urkunde und 200 E besonders gewürdigt.

Babywiese mit Heimatpreis ausgezeichnet

Ein weiterer Bereich, in dem Kinder und Jugendliche sich für die Heimatarbeit engagieren, ist die Babywiese, auf der mittlerweile 60 Obstbäumchen gepflanzt wurden, für die Kinder als Baumpaten fungieren. Jeden ersten Samstag im Monat treffen sich Kinderpaten und ihre Familien auf der Wiese, um Pflegearbeiten durchzuführen und neue Beete anzulegen. So wurden auch unter Mitwirkung von Grundschulklassen eine Wildblumenwiese, ein Kräuter- und ein Sumpfbeet angelegt. Drei dort stationierte Bienenvölker sorgen seit einem Jahr für die Bestäubung der Bäume und Pflanzen. Für 6 neu gepflanzte Birnen- und Apfelhochstämme konnte der Heimatverein ortsansässige Vereine (Schützenverein, Eintracht Erle, die KLJB Erle-Rhade, die Silvesterschule, Imkerverein Raesfeld) sowie den ehemaligen Vereinsvorsitzende Klaus Werner, dem Ideengeber für eine Babywiese, als Baumpaten gewinnen und die Verbundenheit der Vereine mit dem Heimatprojekt Ausdruck verleihen. Insbesondere die Landjugend war mit Tat- und Maschinenkraft eine unersetzliche Hilfe beim Ausbau der Babywiese.

Vertreterinnen und Vertreter von Eintracht Erle, der Landjugend und dem Imkerverein präsentieren auf der Babywiese als Baumpaten ihre Baumschilder und Patenurkunden.

Beim Interview von Norbert Sabellek mit Baumpatenkindern machten diese einige gute Vorschläge für die künftige Arbeit und Freizeitgestaltung: Bau eines Geräteschuppens, Paprikazüchten, eine Infotafel für die Babywiese sowie Gerichtsspiel an der Femeiche und gemeinsame Ausflüge. Für das Projekt Babywiese erhielt der Heimatverein den drittplazierten Heimatpreis, der mit 1000 € dotiert ist. In der Begründung der Preisverleihung wird insbesondere der ökologische und soziale Effekt der Babywiese als Biotop für Pflanzen und Insekten und die Einbeziehung von Familien und Vereinen bei der Anlage und Pflege des landschaftlichen Idylls hervorgehoben.

Gang nach Emmaus

Hildegard Gülker berichtet von der Arbeit der „Koffieköppkes“. Seit 10 Jahren haben die Seniorinnen und Senioren 16 Ordner alter Fotos mit Namen und Ereignissen zusammengestellt und Totenzettel archiviert. Beides soll in den nächsten Jahren digitalisiert und auf der Homepage zugänglich gemacht werden. Auch Texte über altes Brauchtum wurden verfasst wie „De Pingsterbrut“ und „Denn Versehgang“. Für den Osterpfarrbrief erscheint ein Bericht über den „Gang nach Emmaus“. Das Evangelium des 2. Ostertags nahmen junge Leute früher als Anlass, nach den Entbehrungen der Fastenzeit an diesem Tag einen feucht-fröhlichen „Emmaus-Gang“ in die Gasthäuser des Dorfes zu unternehmen oder den Nachbarort einzubeziehen, wie im Jahre 1873, als Raesfelder Junggesellen nach Erle kamen, um den Erler Kirchturm zu vermessen zum Beweis, dass er kleiner war als der Raesfelder, aber von den Erlern mit einem „Güllesegen“ vertrieben wurden.

Touristenattraktion Femeiche

Die Femeiche ist nach wie vor Anlaufpunkt für viele Besucher aus aller Welt. In das Gästebuch der Eiche haben sich u. a. Besucher aus Spanien, Russland, Japan und Australien eingetragen wie auch das Filmteam, das im Januar für #münsterlandliebe in der Lokalzeit des WDR spontan in Erle drehte. Eine Juristin habe augenzwinkernd vermerkt, berichtet Carlo Behler, dass das Femegericht unter der Eiche eindeutig gegen heutige Rechtsmaßstäbe verstoßen habe: Öffentlichkeitsgrundsatz, Anwesenheit des Angeklagten und richterliche Beweisführung. Im November brachte Fernsehen und Hörfunk des WDR Berichte über die Bedeutung des 1000-jährigen Baumes anlässlich der Baumschnittarbeiten zur Entfernung des Totholzes.

Gedenktag am 22. März

Hubert Leiers weist auf den Gedenktag des Heimatvereins am 22. März anlässlich der der Bombardierung Erles vor 75 Jahren am 23.3. 1945. Ab 11 Uhr soll im Heimathaus bei einer von ihm zubereiteten Gemüsesuppe mit Zeitzeugenberichten der Zerstörung Erles gedacht werden. Um 18.30 Uhr wird am Ehrenmal unter Beteiligung mehrerer Vereine der Opfer von Kriegen, Diktatur und Verfolgungen gedacht werden.

Programm 2020/21

Das laufende Jahr bietet den Heimatfreuden wieder viele interessante Programmpunkte: u. a. ein offenes Singen, einen Ausflug in die Glockenstadt Gescher, eine Betriebsbesichtigung auf dem Hof Stegerhoff, das alljährliche plattdeutsche Theater und den Besuch des jüdischen Museums in Dorsten. Zudem stehen größere Umbauarbeiten im Heimathaus an. Das ehemalige Badezimmer wird zu einer behindertenfreundlichen Toilette umgebaut, die Küche bekommt einen neuen Belag, die Treppe einen zusätzlichen Handlauf und vor dem Eingang wird eine feste Rampe gebaut. Soviel wie möglich wird die Rentnergruppe des Vereins bei der Renovierung tatkräftig Hand anlegen.

Weil die Versammlung am internationalen Frauentag stattfand, nahm Norbert Sabellek diesen Gedenktag zum Anlass 7 besonders verdienstvolle Frauen mit einem Blumengeschenk zu ehren. Auch Hubert Leiers als ein Hauptsponsor des Vereins und Tobias Honvehlmann von der Landjugend als tatkräftiger Helfer auf der Babywiese wurden geehrt. Die Versammlung endete mit einem amüsanten Rückblick in Bildern und Filmen auf das vergangene Jahr und dem „Erlsken Leed“.